Emotionen pur – Teil 2
Am Sonntag gab es dann die Kämpfe der Mixed Teams. Potsdam zeigte sich als grandioser Gastgeber und das Publikum feuerte die Athleten lautstark an.
Traditionell sind die Mixed-Team-Wettkämpfe sehr emotional und Potsdam zeigte, dass man das Ganze noch einmal ins Uferlose steigern kann. Schon morgens vor Wettkampfbeginn heizte Hallensprecher Christian Freese dem Publikum ein. Mit dem ersten Kampf auf der Tatami war das Publikum da und trug die Mannschaften durch die Kämpfe.
Für das deutsche Team gibt es am Anfang einige bange Minuten. Gegen Rumänien steht es nach zwei Kämpfen 0:2. So hatten sich die Athleten den Auftakt sicher nicht vorgestellt. Dann jedoch zünden Daniel Udsilauri , Laila Göbel, Jano Rübo und Samira Bock ein Feuerwerk und gewinnen diesen Mannschaftskampf mit 4:2. Das Team steht damit im Halbfinale gegen Aserbaidschan.
Das artete regelrecht zum Krimi aus.
Raffaela Igl gewinnt ebenso wie Daniel Udsilauri. Ein vermeintlich gutes Polster für das Halbfinale. Kevin Abeltshauser kämpft gegen den Bronzegewinner Nariman Mirzayev und liegt bereits nach 18 Sekunden mit Waza-ari hinten. Ein Opferwurf nach reichlich eineinhalb Minuten besiegelte den Kampf. Es war der Auftakt für eine Serie von drei Kämpfen, die alle an Aserbaidschan gingen. Fabian Kansy dreht dann den Spieß noch einmal und gewinnt zum 3:3. Das heißt, es wird eine Gewichtsklasse ausgelost, in der die Athleten dann nach Golden Score-Regel kämpfen. Die erste Wertung zählt.
Es waren bange Sekunden. Sicher hätte Aserbaidschan die 73-Kilo-Klasse gewünscht, da das Ergebnis des Kampfes ziemlich eindeutig war, das deutsche Team hat sicherlich gehofft, dass alles geht, aber bitte nicht die 73. Als dann die Anzeige genau diese Klasse zeigte, ging ein riesiger Jubel durch das Aserbaidschan-Team. Deutschland sortierte sich, Kevin Abeltshauser bekam letzte Instruktionen vom Trainerteam und ging selbstbewusst auf die Matte, wohl wissend, welche Verantwortung da gerade auf seine Schultern gelegt wurde.
Und dann ging alles ganz schnell.
„Ich hörte die Aserbaidschaner lachen und jubeln. Ich wusste, dass sie dachten, es sei alles vorbei. Aber ich konzentrierte mich einfach und war dankbar für diese zweite Chance. Diesmal wollte ich es besser machen.“
Und wie er es besser gemacht hat. Kevin Abeltshauser betrat die Matte, holte tief Luft und verneigte sich. Zwei Schritte, O-soto-gari-Annäherung, Wurf – Waza-ari, Sieg. Der zweite Kampf dauerte genau sechs Sekunden. Nariman Mirzayev lag völlig verstört auf dem Boden, unser Athlet konnte sein Glück kaum fassen. Und die Halle tobte. „So einen Moment habe ich noch nie erlebt. Alle flippten aus und schrien. Was für eine Erleichterung. Ich habe unsere Chance auf Gold aufrechterhalten.“
Auch wenn Kevin Abeltshauser beim folgenden Finale nicht zum Einsatz kam, war er bei der Siegerehrung und danach der gefeierte Held. Mit etwas Abstand reflektiert er den Kampf recht rational. „Die anderen haben gelacht und sich gefreut, aber das hat mich nicht interessiert. Ich hab nicht viel nachgedacht darüber. Ich wusste, was ich machen muss, bin entschlossen auf die Matte gegangen und ganz neutral rein in den Kampf.“ Er war sich dann ziemlich sicher, dass es eine Wertung war, konnte es aber kaum glauben. „Es war ein megageiles Gefühl. Als ich runterkam von der Matte, alle abgeklatscht haben und wir uns alle unglaublich gefreut haben – das ist eben eine Heim-EM“, ist er noch immer total geflasht von dieser Situation und findet es total cool, dass alle Kids kommen und plötzlich Fotos und Autogramme von ihm haben wollen.
Hoch konzentriert ging dann die Mannschaft ins Finale. Daniel Udsilauri beginnt und ist nach reichlich einer Minute mit Waza-ari im Rückstand. Eine halbe Minute später holt er auf und nach reichlich drei Minuten Ippon für eine Würgetechnik. Es war ein Auftakt nach Maß. Laila Göbel verliert ihren Kampf, aber Jano Rübo und Samira Bock gewinnen. Fabian Kansy gibt seinen Kampf ab und beim Stand von 3:2 ist es Vize-Europameisterin Raffaela Igl, die den Sack zubinden kann. Es ist die Wiederholung des Halbfinals im Einzelwettbewerb, das unsere Athletin einen Tag vorher gewonnen hat.
Es ging ohne Wertung bis ins Golden Score. Nach reichlich einer Minute dann eine Festhalte, die jedoch nach neun Sekunden gelöst war. Unsere Athletin arbeitete weiter am Boden und setzte einen Hebel an. Ippon! Die Freude im deutschen Team war riesig. Und die Halle tobte. Es nahm gefühlt kein Ende. Die Trommler, die jubelnden Zuschauer, alle feierten das Europameister-Team.
„Toll! Ich hätte mir kein besseres Ergebnis als dieses erträumen können. Das Publikum hat sehr geholfen, aber ich war so darauf konzentriert, einfach alles zu tun, was ich konnte, um zu gewinnen. Und ich wusste, wenn ich diese Juju-Gatame hinkriege, könnte ich diesen Kampf gewinnen. Ich bin immer noch so überwältigt von all diesen Emotionen und den Menschen, die feiern, es ist unglaublich“, freut sie sich über den Erfolg.
Zur Siegerehrung singt das Team lautstark die Nationalhymne mit. Danach weiter strahlende Gesichter, eine jubelnde Mannschaft, die sich bei den Zuschauern bedankt und immer wieder Fotos. Der Jubel in der Halle nimmt gefühlt gar kein Ende.